Fröhlicher Darwinismus [Joshua Lederberg]
Wie hätten wohl die Artgenossen eines urzeitlichen Affen-Propheten reagiert, wenn er vorausgesagt hätte, welche erstaunliche Entwicklung ihrer Spezies noch bevorstand?
Der amerikanische Molekularbiologie Joshua Lederberg ( 1925–2008), von dem dieser Satz stammt, gehört zu den Pionieren der Genforschung. 1958 erhielt er (zusammen mit Georg W. Bead und Edward Tatum) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine Entdeckungen über genetische Neukombinationen und Organisation des genetischen Materials bei Bakterien.Im Anschluss wurde er zum Gründungsdirektor der Abteilung für Genetische Forschung an der Stanford University. Er forschte ausführlich auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, fungierte als wissenschaftlicher Berater der U.S.-Regierung und nahm an Forschungsprogrammen der NASA zur Untersuchung der Möglichkeit von Leben auf dem Mars teil. Überdies war er ein ausgesprochen beredter und angriffslustiger öffentlicher Vertreter des wissenschaftlichen Fortschritts in seinen Disziplinen.
1967 veröffentliche die ZEIT unter der Überschrift 'Müssen wir den Fortschritt fürchten?' einen Artikel von Lederberg, aus dem folgende Passage stammt:
Überdies wirkt unsere Selbstsicherheit oft einer natürlichen evolutionären Veränderung unserer Spezies entgegen. Ein Kind, das sich durch eine im Grunde biologisch vorteilhafte Mutation zu einem auffallend von der Norm abweichenden Menschen entwickelt hat, mag von der Gesellschaft so sehr abgelehnt werden, daß seine von Natur her besonders günstige Veranlagung überhaupt nicht zum Tragen kommt. …
Dreimal in der Geschichte ist diese Selbstüberschätzung des Menschen durch neue Erkenntnisse stark erschüttert worden, und zwar durch: die kosmologische Erkenntnis, daß die Erde nicht Mittelpunkt der Welt ist, die Darwinsche Erkenntnis, die uns lehrte, daß wir auch nur ein Bestandteil der belebten Natur sind und wir uns wie jedes andere Lebewesen aus niederen Arten entwickelt haben und die psychologische Erkenntnis, die dem Menschen seine Unfähigkeit zeigte, alles zu wissen, was in seinem Geist vorgeht, weil es so viele unbewußte Vorgänge gibt.
Die Furcht vor der uns bevorstehenden genetischen Technik, der Manipulation von Vererbungsprozessen ist nahe verwandt mit der Ablehnung, auf die Darwins Idee von der Abstammung des Menschen von affenartigen Vorfahren stieß.
Wie hätten wohl die Artgenossen eines urzeitlichen Affen-Propheten reagiert,
wenn er vorausgesagt hätte, welche erstaunliche Entwicklung ihrer Spezies noch
bevorstand?
(Lederberg, Joshua, 'Müssen wir den Fortschritt fürchten?', in: Die Zeit, 1.12.1967.)
Der amerikanische Molekularbiologie Joshua Lederberg ( 1925–2008), von dem dieser Satz stammt, gehört zu den Pionieren der Genforschung. 1958 erhielt er (zusammen mit Georg W. Bead und Edward Tatum) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für seine Entdeckungen über genetische Neukombinationen und Organisation des genetischen Materials bei Bakterien.Im Anschluss wurde er zum Gründungsdirektor der Abteilung für Genetische Forschung an der Stanford University. Er forschte ausführlich auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, fungierte als wissenschaftlicher Berater der U.S.-Regierung und nahm an Forschungsprogrammen der NASA zur Untersuchung der Möglichkeit von Leben auf dem Mars teil. Überdies war er ein ausgesprochen beredter und angriffslustiger öffentlicher Vertreter des wissenschaftlichen Fortschritts in seinen Disziplinen.
1967 veröffentliche die ZEIT unter der Überschrift 'Müssen wir den Fortschritt fürchten?' einen Artikel von Lederberg, aus dem folgende Passage stammt:
Überdies wirkt unsere Selbstsicherheit oft einer natürlichen evolutionären Veränderung unserer Spezies entgegen. Ein Kind, das sich durch eine im Grunde biologisch vorteilhafte Mutation zu einem auffallend von der Norm abweichenden Menschen entwickelt hat, mag von der Gesellschaft so sehr abgelehnt werden, daß seine von Natur her besonders günstige Veranlagung überhaupt nicht zum Tragen kommt. …
Dreimal in der Geschichte ist diese Selbstüberschätzung des Menschen durch neue Erkenntnisse stark erschüttert worden, und zwar durch: die kosmologische Erkenntnis, daß die Erde nicht Mittelpunkt der Welt ist, die Darwinsche Erkenntnis, die uns lehrte, daß wir auch nur ein Bestandteil der belebten Natur sind und wir uns wie jedes andere Lebewesen aus niederen Arten entwickelt haben und die psychologische Erkenntnis, die dem Menschen seine Unfähigkeit zeigte, alles zu wissen, was in seinem Geist vorgeht, weil es so viele unbewußte Vorgänge gibt.
Die Furcht vor der uns bevorstehenden genetischen Technik, der Manipulation von Vererbungsprozessen ist nahe verwandt mit der Ablehnung, auf die Darwins Idee von der Abstammung des Menschen von affenartigen Vorfahren stieß.
Wie hätten wohl die Artgenossen eines urzeitlichen Affen-Propheten reagiert,
wenn er vorausgesagt hätte, welche erstaunliche Entwicklung ihrer Spezies noch
bevorstand?
(Lederberg, Joshua, 'Müssen wir den Fortschritt fürchten?', in: Die Zeit, 1.12.1967.)