Skeleton Dance - Animation und Beseelung [Walt Disney]

Der Disney Film The Skeleton Dance von 1929 (re-)animiert die Toten zwischen Bild und Musik.

 

The Skeleton Dance von 1929 ist der erste der Silly Symphonies, mit denen Walt Disney an das Erfolgsrezept der ersten Mickey Mouse Filme anknüpfte, die mit der Kombination von animierten Filmen und kurzen Musikstücken, das Effekt- (und Affekt-) Potential des neuen Mediums Tonfilm optimal auszunutzen suchten. Was von Beginn an immer wieder Thema des Animationsfilms gewesen war – die überraschenden Übergänge, das Umklappen zwischen Zeichnung und lebendiger Figur, zwischen Mechanik und Leben, das von der historischen Herkunft des Kinos aus der Bewegung sezierenden Physiologie her zu denken wäre – wurde hier auf die Gleichzeitigkeit bzw. Ungleichzeitigkeit von Ton und Bild übertragen. Die zu hörenden Klänge und ihre jeweilige Beziehung zum Bild sind dabei häufig mehrdeutig: Zum Beispiel 'im Bild' gemachte Geräusche von Maschinen und Tieren werden Teil der Musik, die zuerst nur aus dem Off zu kommen und unabhängig vom Bild zu sein schien. In den sich dabei auftuenden Zwischenräumen von Bild und Ton wird der Zuschauer gewissermaßen eingespannt und als Versuchsobjekt eines audiovisuellen Wahrnehmungsexperiments künstlich (wieder) zum Leben erweckt.

In Skeleton Dance steigen zur Geisterstunde die Gerippe aus ihren Gräbern und beginnen klappernd ihren Totentanz. Ihre Skelette verformen und zerlegen sich im Takt der Musik und setzen sich dann wieder zusammen. Irgendwann beginnen sie, einzelne Teile ihrer Skelette in Musikinstrumente umzufunktionieren: ein Rippenxylophon, ein Knochenbogen, um den Schwanz einer Katze in ein Streichinstrument zu verwandeln.

 

Philip Brophy hat diesen Film als exemplarisch für Disneys Versuch in seinen Filmen, das 'künstliche', weil auf Stillstellung, Zerstückelung und nachträglichem Hinzufügen mechanischer Bewegung beruhende Zeichentrick-Bild mit der 'organischen' Dynamik der Musik zu vereinen und damit zu 'beseelen', beschrieben:

The Silly Symphonies collectively address the core dilemma of Disney's illusionistic aspirations of trying to join the organic (the sound of music) with the artificial (the illustration of image) by centring on nature and drawing upon 'man's relation to his world'. The grand history of mimeticism is founded on the cultural aesthetics of nature as visual, formal and material. Man's relation to the animated world was rhythmic, syncopative and percussive. The first official Silly Symphony The Skeleton Dance (1929) - features an array of skeletons coming to life to perform music upon themselves, where their bodies are the very instruments they play in order to make their bodies move. The deathly inertia of the graphic image is mobilized by the animation process and dynamized by the musical soundtrack, while the human skeleton (the matter that remains after death) is reanimated by rhythm, the 'rhythm of life' (remembering that the human body is basically a container for the rhythmic flow of fluids). This cartoon is profoundly symbiotic!

 (Philip Brophy: The Animation of Sound, 1994 [link])

Aber dieses wiederbelebte Leben ist eben ein anderes, es kann nicht 'unversehrt' bleiben, was sich in den frühen Disney Filmen immer wieder, besonders im Kontrast zum heutigen Bild von der heilen Disney Welt, in makaberen und grausamen Motiven spiegelt. So wirft das, was Walter Benjamin Zur Micky Maus geschrieben hat auch ein interessantes Licht auf den Skeleton Dance:

In diesen Filmen bereitet sich die Menschheit darauf vor, die Zivilisation zu überleben. Die Micky-Maus stellt dar, daß die Kreatur noch bestehen bleibt auch wenn sie alles Menschenähnliche von sich abgelegt hat. Sie durchbricht die auf den Menschen hin konzipierte Hierarchie der Kreaturen.

(Walter Benjamin: Zu Micky-Maus. In: Walter Benjamin Gesammelte Schriften. Frankfurt am Main  1985, S. 144-145; 144.)