Drehli Robnik: Kino im Zeichen der Zombies
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Als Kino-Allegorien – zumal unter dem Aspekt der Beziehung von verkörpertem Leben zur geschichtlichen Zeit – befinden sich Zombies in prominenter Gesellschaft. Drei andere Horrorfilmfiguren haben bereits in unterschiedlichen Theoriekontexten und Ausarbeitungsgraden Kino-allegorisch fungiert. Es sind dies Frankensteins Monster, Graf Dracula und die Mumie – das Trio Infernale der serienbildenden Hollywood-Horror-Erfolge von 1931/32, in deren Schatten mit White Zombie (USA 1932, Victor Halperin) auch die Dauerpräsenz von Zombies im Spielfilm beginnt.
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Da ist erstens ein 'fordistisches' Frankenstein-Kino, das von unbegrenzter Ausweitung der Disziplinarmacht über das gefügige Leben träumt und – als Preis und Kehrseite dieser Hybris – ins Bild des Furors einer monströsen quasi-proletarischen Physis umspringt; zweitens ein 'postfordistisches', 'kontrollgesellschaftliches' Dracula-Kino der unabschließbaren, flexiblen Selbstumformung; und drittens, im Zeichen der Mumie, ein Kino, das zum einen ebenfalls einen Kontroll-Gestus ausagiert, den einer anschmiegenden, selbstumformenden 'Einbindung' des filmisch Geformten, zum anderen aber, als Grenz- und Krisenfall dieser Modulierung/Mumifizierung der Welt, eine Ethik demütiger Gläubigkeit gegenüber gerade der Unbestimmbarkeit der Welt beschwört. Im Folgenden jedoch geht es um politische Perspektiven aufs Kino, die sich über Zombies als allegorische Figuren auftun; und auch dieser Zugang wurde bereits anderswo verfolgt.
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Was für eine Sicht auf, was für einen Begriff von Kino schlagen diese (…) Zombiefilm-Theorien und ihre implizierte Medien-Allegorik vor? Kino ist dem Fernsehen vergleichbar (Michaela Wünsch) bzw. ist Kino wie jedes Konsum-Spektakel (Steven Shaviro), insofern es ziellos sich ausbreitende Macht über soziales Leben zur Geltung bringt: eine 'Biopolitik' in dem Sinn, dass diese Macht massenweises Körperverhalten steuert, anstatt individuelle Rechtssubjekte zu regieren. Für James McFarland, der Foucault'sche Biopolitik als Form von medizinisch-polizeilicher Kontrolle über ‘mörderisches Leben’ anklingen lässt, ist Film vor allem eine privilegierte Weise der Sichtbarmachung: Sichtbar wird zumal ein Umschlag von Apokalyptik in die Trostlosigkeit eines Lebens, in dem der Tod wütet, ohne aus dessen Immanenz herauszuführen. Bei allen Unterschieden kommen die drei Texte hinsichtlich ihres vom Zombie ausgehenden Zugangs zum Kino überein im Begriffsbild einer Medienmacht, die sich über ein im Körperlichen entblößtes Leben ausbreitet.
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Dem gegenüber möchte ich andere – zusätzliche, zum Teil kontrastierende – Aspekte einer Zombie-Allegorik des Kinos skizzieren (...) Am Beginn von Land of the Dead wird ja zunächst einmal Uneindeutigkeit konstatiert, genauer: die Unhaltbarkeit einer Unterscheidung. Über den Anblick eines zombiefizierten Tankwarts, der weiterhin automatisiert an seiner Zapfsäule zu arbeiten scheint, sinnieren zwei ihn heimlich beobachtende Männer: 'They're trying to be us.' – 'No. They used to be us. Trying to be us again.' Und etwas später: 'There's a big difference between us and them. They're dead. It's like they're pretending to be alive.' – 'Isn't that what we're doing? Pretending to be alive?' Zombie or not to be: Wenn im Zeichen bloßer Vortäuschung von Leben Menschen und Zombies ununterscheidbar werden (worum es ja beim sozialkritischen Einsatz von Zombie-Metaphorik häufig geht), was macht dann in Land of the Dead den Unterschied und schafft Eindeutigkeit? Es ist die Differenz von Produzent und Parasit, die der Film (...) entfaltet.
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MASSENHAFT CLUMSY: ZOMBIE-KINO OHNE ETHNISCHE VORAUSSETZUNGEN
Ein Fokus auf die clumsiness der Zombies in Massen verbietet (...) auch, sie als vor Schöpferkraft sprühende Multitude zu sehen: Auch das Charisma kommunikativer Virtuosität, die das wissensökonomische Proletariat/Prekariat adelt, ist ein Ethos, zumal Selbstgemäßheit der 'Tüchtigsten’ als 'áristoi'. Politische Subjektivierung jedoch ist nicht Bewusstwerden oder Geltendmachen eines Ethos, sondern Losreißen vom Ethos, von der Gemäßheit zum Aufenthalt in einer Identität oder Kultur – und sei es die kulturalisierte Affekt- und Wissensökonomie biopolitischer Produktivitätsstandorte. Anders gesagt: Niemand muss Produzent sein, um Subjekt zu werden; als politische ereignet sich Subjektbildung selten, aber ohne weitere Voraussetzung, aus der massenhaften clumsiness derer heraus, die an nichts Anteil haben, was sie eher zum Regieren als zum Regiert-Werden, eher zur Poesie als zur Arbeit befähigen würde. Masse wäre in diesem Sinn ein Name für unvorhergesehene Subjektivierungs- und Ermächtigungsmöglichkeiten, die ohne die produktivistisch-ökonomistischen Weihen und Auflagen der Multitude-Emphase auskommen.
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Eine Lebendigkeit, die aus dem Arbeitsregime 'neoliberaler Leibeigenschaft' (Heide Schlüpmann) heraus und in soziale Ausschlüsse fällt, bildet im Kino eine Moral der Selbstinfragestellung in dem Maß, in dem Kino den Film an einen Ort von Massenerfahrung bindet, der innerhalb wissensökonomischer Medienverbunde anachronistisch ist; gegenüber der Dynamik kommunikativer Medialisierung als totale Mobilisierung und Produktivmachung des Sozialen, gibt Schlüpmann zu verstehen, ist Kino 'zurückgeblieben' – gehirntot, könnte man hier sagen. Kino ist clumsy: Es ist Teil einer Medienkultur und doch immer weniger reibungslos in deren Betrieb; die Selbstempfindungsmöglichkeiten, die es einräumt, taugen immer weniger zur Einspannung der Affekte ins Pflichtethos lebensumfassender Kreativität. Kurz, Kino erlaubt ein Wahrnehmen von Subjektivierungsmomenten, das sich vom produktivistischen – wie auch vom apokalyptischen – Blick abkoppelt.
Der gesamte Text von Drehli Robnik: Kino im Zeichen der Zombies. Gehirntote Filmfiguren als Denkbilder in politischen Filmtheorien (PDF, 24 Seiten, 150 KB) kann hier heruntergeladen werden.
Drehli Robnik wird als Referent am Donnerstag, 12.5. und Samstag, 14.5. am Kongress Die Untoten teilnehmen.