Ich erkläre mich für tot: Patientenverfügung

Was ist, wenn Sie schwer krank oder tödlich verletzt sind, aber über die zu ergreifenden medizinischen Maßnahmen nicht mehr selbst entscheiden können oder Ihren Willen dazu nicht mehr äussern können?
Mit der 2009 erlassenen Gesetzesänderung zur Patientenverfügung soll Klarheit und Rechtssicherheit in eben solche Situationen gebracht werden. Hier stoßen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und die Aufgabe moderner Medizin, Leben zu erhalten, in der Frage aufeinander, was ein Leben ist.

Der Paragraph 1901a des BGB [link] regelt die Verbindlichkeit der Patientenverfügung. In der Patientenverfügung kann schriftlich festgehalten werden, was geschehen soll, wenn man nicht mehr entscheidungsfähig ist (z.B. im Fall von Demenz) oder seinen Willen nicht mehr äussern kann (wie in Fällen von Wachkoma, in denen der Bewusstseinszustand unklar ist): Soll künstlich ernährt oder beatmet werden? Sollen zur Lebensrettung Organtransplantation und Bluttransfusionen erlaubt sein? Soll wiederbelebt werden?

Damit reagierte der Gesetzgeber auf verschiedene Entwicklungen in der Medizin, die darauf zielen und es ermöglichen, Menschen sehr lang am Leben zu erhalten, und auf die mit diesen Entwicklungen verbundenen Probleme und Ängste vor einem 'würdelosen Dahinvegetieren', 'angeschlossen an Maschinen'. Die Einstellungen dazu, wie man sich angesichts dessen ein noch lebenswertes Leben vorstellt, können von Person zu Person tatsächlich sehr unterschiedlich sein, je abhängig von ethischen, moralischen, religiösen oder sehr persönlichen, beispielsweise biographisch geprägten, Motiven. Gleichzeitig hat sich auch das Arzt-Patienten-Verhältnis gewandelt: An die Stelle eines traditionell sehr weitreichenden Vertrauens in die Autorität des Arztes oder der Ärztin tritt zunehmend ein Verhältnis, das tendenziell eher einer Vertrags-, oder Dienstleister-Kunde-Beziehung gleicht, in der Entscheidungen über die Behandlung zwar nach ärztlicher Beratung aber letztlich autonom getroffen werden.

Insgesamt führen diese Entwicklungen in bestimmten Grenzbereichen von Leben und Tod zu nicht eindeutig und allgemein lösbaren Fragen. In der Patientenverfügung kann beispielsweise auch der Wille festgehalten werden, dass auf lebenserhaltende Maßnahmen auch in bestimmten Situationen verzichtet werden soll, in denen der Tod nach dem Stand der Medizin eigentlich nicht unmittelbar bevorsteht. So kann in den Fällen von Wachkoma und Demenzerkrankung ohne Lebensbedrohung eben unklar sein, was der Patient oder die Patientin selbst will und deswegen nur im Voraus festgelegt werden oder durch eine Vertretung entschieden werden, was getan oder nicht getan werden soll.

Hier werden Fragen der Legitimität von Sterbehilfe berührt, die - besonders in Deutschland wegen seiner grausamen Geschichte des 'Euthanasie' genannten, d.h. zur Sterbehilfe deklarierten, Mordes während der Nazizeit - niemals unschuldig angegangen werden können. Unter anderem deswegen wurde eindeutig festgelegt, dass niemand gezwungen werden kann, eine Patientenverfügung zu verfassen und dass Patientenverfügungen, die unter Druck entstanden sind, nicht wirksam werden.

Wie auch immer man sich aber jeweils zur Patientenverfügung verhält, auch wenn man keine schreibt, hat das bestimmte Konsequenzen. Daher bleibt das Dilemma einer Entscheidung bestehen: die aus persönlicher Perspektive vielleicht grundlegendste Entscheidung zu treffen, nämlich die über das eigene Leben, und dies gerade für den Fall, dass man nicht mehr entscheiden kann, für Situationen, die man aus eigener Erfahrung nicht kennt.

Weiterführende Links:

Informationsbroschüre (PDF) des Bundesjustizministeriums mit Textbausteinen für eine mögliche Patientenverfügung die von der Arbeitsgruppe 'Patientenautonomie am Lebensende' erarbeitet wurden [link].

Neue Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung vom 17.02.2011 (PDF) [link].